Freitag, 15. Oktober 2004
Dienstagslektion - Nachtrag

(weil ja schon Donnerstag ist)

Eigentlich schon länger bekannt, aber nur nochmal bestätigt:
Wenn man jemandem nicht die berühmten drei Worte sagen kann, ist das Gefühl dazu auch nicht vorhanden. Dann ist es einfach nicht so. Oder umgekehrt: Wenn es so wäre, könnte man es auch sagen.


 

Erleuchtung - I

Erkenntnisse können mitunter ziemlich erschrecken unnd einiges an Verwirrung hervorrufen. Denn sie kommen hin und wieder sehr unerwartet. Aus dem Hinterhalt sozusagen. So wie heute nachmittag, nicht allzulang vor Feierabend. Als ich bei lunally einen Beitrag las und einem geposteten link zu einer intensiven Diskussion folgte. (Meine Leser dürfen gerne erst diesen Artikel hier zu Ende lesen. Ich fasse das wichtigste von dort zusammen.)

Eigentlich war der Anlass für beide eine erschreckende Situation beim Einkaufen, als sie mit ansehen mussten, wie Mütter überaus unmöglich weil extrem genervt mit ihren Kindern umgingen und man nicht so recht wusste, ob und wie man eingreifen sollte. Die Diskussion hatte zu diesem Zeitpunkt 45 sehr vielseitige Kommentare, welche z. T. auch vom eigentlichen Thema abschweiften. Und genau diese abschweifenden waren es, die mein Inneres in ein heftiges Chaos stürzten. Chaos aus Gefühlen und Gedankenfetzen. Gedankenfetzen, die sich weder greifen noch zu Ende denken ließen, da sie pausenlos, ununtebrochen aus den vielfältigsten Ecken von Herz, Verstand, Seele, Erinnerungen etc. hereinströmten, so dass gar keine Zeit blieb, auch nur einen wirklich einzufangen.

Es ging im Grunde um Erziehung, Liebe und Verständnis. Darum, wie unmöglich kalt und lieblos manche Eltern ihre Kinder behandeln. Aber auch darum, warum diese Eltern sich vielleicht so verhalten. Wie sie vielleicht selber erzogen wurden oder aufgewachsen sind. Darum, wie in früheren Generationen erzogen wurde. Darum, dass Methoden von Erziehung und Gehorsam aus früherer Zeit eben nur langsam und in mehreren Generationen, in kleinen Stücken abzubauen sind. Dass Kinder nicht nur Erziehung sondern auch Liebe und Zuwendung brauchen. Dass sie Individuen sind und mit ihren eigenen Anlagen gefördert werden sollten, anstatt ein Teilstück der Eltern zu sein, den diese nach ihren Vorstellungen formen können. Und es ging auch darum, dass diese Kinder, die von ihren Eltern emotional misshandelt werden, erstaunlich viel Verständnis für Mutter und Vater zeigen.

Und so dauerte es nicht lange, bis meine Gedanken bei meiner eigenen Erziehung anlangten. Dort, wo meine Mutter früher statt Wärme, Trost und Verständnis ausschließlich schmerzlich-kalte, kluge Worte und Logik zu bieten hatte. Uns (meiner Schwester und mir) war immer klar, dass unsere Mutter zu Hause nie Liebe bekommen hatte und von daher vermutlich nicht wusste, wie sie uns diese geben sollte. Aber weh tat es trotzdem.
Auch ahne ich seit einiger Zeit, dass ich möglicherweise im Säuglingsalter aus dem Verlangen nach Wärme und Liebe geschrien habe, jedoch stattdessen die Brust bekam.
Immer wieder taucht ein Filmtitel auf: "Hunger - Sehnsucht nach Liebe". In dem ging es zwar um Bulimie, aber ich denke, der passt auch auf andere Essstörungen.
Dazwischen mengt sich immer wieder der in seiner Spaßigkeit unpassende, aber durch seinen extremen Wahrheitsgehalt wiederum überaus passende Spruch: "Die beste Erziehung taugt nix! Die Kinder machen ihren Eltern sowieso alles nach."

Und weiter purzeln die Gedanken. Fröhlich munter durcheinander. Überschlagen sich. Denn plötzlich tauchte in der Diskussion ein Pendant zu unserer lang gekannten Logik auf: Nicht nur Liebe geben kann/muss/sollte man durch die Eltern lernen, sondern auch sich lieben zu lassen, geliebt zu werden! Man lernt nicht nur, wie Liebe gegeben wird, wenn man sie von den Eltern bekommt, sondern auch wie man Liebe nimmt. Wie es ist, geliebt zu werden. Wie es sich anfühlt. Wie man es annimmt.

Booom. Das saß.

Könnte das der Grund sein, weshalb ich diese meine Beziehung so führe, wie sie ist? Dass ich seit einem Dutzend Jahren mich damit zufrieden gebe, nicht voll und ganz, mit Haut und Haaren, so wie ich bin geliebt zu werden??? Weil ich es gar nicht anders kenne? Und vielleicht daher auch unterbewusst gar nicht anders will? Dass es mir vielleicht Angst machen würde, weil es eine völlllllig neue Erfahrung wäre mit der ich gar nicht umgehen könnte, wenn es anders wäre?
Und könnte das genauso der Grund dafür sein, dass auch meine Schwester nie den richtigen findet, weil sie dadurch unwissentlich nach dem f-/F-alschen sucht? (Ganz abgesehen davon, dass sie anscheinend wirklich das Ungeliebte Kind (weil vom falschen Mann) war bzw. immernoch ist.) Sie und ich, wir haben nicht viel gemeinsam. Aber wir haben beide jeder einst einen Mann davon gejagt, der uns abgöttisch liebte. Das würde ich auch heute genauso wieder tun. Denn ich lass mich nicht auf einen Sockel heben und wie eine Heilige mit Ja und Amen anbeten!

Das war noch nicht alles, aber reicht erstmal.
Daher: tbc. Vielleicht.

Bin auf jeden Fall mal gespannt, was ich heut Nacht träume. Ich bin allerdings guter Dinge, dass es durch das Niederschreiben hier deutlich weniger chaotisch wird.


 

Samstag, 25. September 2004
Langsam ergibt es einen Sinn.

Immer wieder und schon öfter so trockene Hautstellen gehabt, dass sie von alleine einrissen. Langsam ergibt es einen Sinn. Zusammen mit dem Arzneimittelbild des neuen Simile.


 

Aufreißen?

Sprach hier kürzlich irgendjemand vom Aufreißen alter Wunden???

Wieso reißt mir dann gerade dieser Tage, wo ich über ganz alte seelische Verletzungen nachdenke, die - schon sehr lange bestehende, mal mehr mal weniger schlimme, meistens rissige - Hornhaut an der Ferse so sehr auf, dass ich kaum noch richtig auftreten kann? Reißt so tief ein, dass ich mich z. B. kaum nach etwas Runtergefallenem bücken kann, weil der Riss wirklich bis in die Unterhaut geht und die Dehnung der Beinrückseite wie ein Schnitt mit einem superscharfen Messer in den Hacken sticht?

Und wieso sagt mir mein Homöopath, das Simile zu solcher Art Verletzungen hat einen starken Bezug zu tiefliegenden seelischen Dingen? Zu Dingen, die schon lange, aber sehr tief verborgen brodeln. Weshalb er es mir in Bezug zu dem bevorstehenden Urlaub erstmal nur in einer oberflächlicher als gewöhnlich wirkenden Potenz verordnet.

Sprach hier kürzlich i r g e n d j em a n d vom richtig tiefen, erneuten Aufreißen alter Wunden, um sie hernach endlich und endgültig zu heilen??? Ich?

Scheibenkleister, soll denn wirklich das Aufreißen der Oberfläche mit dem Aufreißen von Innerem einen so direkten Zusammenhang haben können? Und vor allem, ausgelöst von bewussten alten Schmerzen, aber nach dem Anstubsen der Selbstheilungskräfte umgeschwenkt in ein Aufreißen von Unbewusstem bzw. Verdrängtem, was ich wirklich nicht anrühren, oder besser immer wieder nicht wahr haben mag. Was ich bewusst immer wieder und für eine gewisse Zeit erfolgreich verdränge. Bis es mal wieder hervorbricht. Zu dumm nur, dass ich damit nicht anders umgehen kann, als es wieder zu verdrängen.

Oder?

Nein, eigentlich versuche ich jedes Mal ein bisschen mehr, den Umgang damit zu üben, bevor ich es wieder ins Verließ zurück schicke.

Oh, dann muss es aber noch oft herauskommen. Denn ich sehe einfach immer noch keinen anderen Ausweg als den, den ich nicht will.


 

Dienstag, 14. September 2004
Theorie und Praxis

oder: Voll das Leben spüren - II

Sehr schön hat Phileas gerade berichtet, dass man auch die schlechten Zeiten seines Lebens als Teil seiner selbst annehmen und akzeptieren soll. Das ist eine feine Vorstellung die auch absolut einleuchtet. Ja, voll logisch ist.

Was aber wenn ...
Wenn man so böse von den schlechten Erfahrungen eingeholt wird, dass sie einem absolut den Spaß in der Gegenwart verderben.
Wenn man mal wieder so knallhart vor Augen gehalten bekommt, wie sehr man verletzt wurde. Vor "Jahrhunderten" ...
Wenn dieser Schmerz so plötzlich wieder aufreißt, dass man wie gelähmt ist.
Wenn man dadurch sich absolut außerstande sieht, die Gegenwart mit ihren aktuellen Erlebnissen zu genießen?
Wenn man seit langem mal wieder Menschen begegnet, die einen an einem Bereich der Persönlichkeit ansprechen, der lange, sehr lange verborgen war. Den man gut versteckt, verdrängt hat. Zum eigenen Schutze.
Wenn man die Begegnung aber nun in vollen Zügen genoss solange sie dauerte. Und auch die plötzliche, positive Verwirrung gerne annahm, die sich kurz danach einstellte, aber nun, mit ein paar Tagen Abstand, die alten, dunklen Flecken auf der Seele wieder hervortreten und sich als äußerst unangenehme Schatten auf diese frischen Erlebnisse legen. So dass man sie fast bereut. Aber auf jeden Fall am liebsten sofort in eine Dose sperren und nie wieder öffnen würde?
Wenn das "irre, geil, genial, verrückt, cool, aufregend, verwirrend, interessant - klasse" einen so verdammt bitteren Beigeschmack aus alten Zeiten bekommt. Weil man einfach nicht vergessen kann und so plötzlich wieder erinnert, was man einmal - nein x-mal - gelernt hat???

Man könnte froh sein, ein Weblog zu haben. In dem man diese Fragen aufschreiben und die Gedanken dazu dadurch weiter, ja vielleicht zu Ende denken kann. Man könnte dabei auf die Idee kommen, dass dieses erneute aufreißen der alten Wunden die Chance bietet, vielleicht die wiederholten schlechten Erfahrungen endlich durch positive zu neutralisieren?
Aber die Angst ist groß.
Zu groß?
Wie passt das in die Suche nach meinem Selbst?
Bin ich jetzt wieder ich selbst? Feige. Ängstlich. Verklemmt. Vernünftig.
Oder war ich kürzlich ich selbst? Locker. Offen. Entspannt. Leicht verrückt (und auch fast mutig dazu).

Jedenfalls bin ich weiterhin gespannt, wo mich dieser Weg hinführt. Welche Entwicklung das noch weiterhin nimmt.