Wie ein Sausewind verließ ich das Büro, als Cheffe heut Nachmittag meinte, wenn ich nicht so sehr zu tun hätte, könne ich ruhig auch mal schon gehen. Es kommen sicher auch wieder andere Zeiten, wo es ans länger Bleiben geht. Wenn ich vielleicht noch was für Weihnachten zu erledigen hätte ... Und schwupps, war ich fort. Ich wusste nicht gleich, was ich draußen tun würde, aber so was lässt man sich ja nicht zweimal sagen. Und ich hab zurzeit tatsächlich nur unwesentlich mehr als nix zu tun. Liegt wohl am Jahresende. Hoffentlich ändert das sich nicht noch übermäßig in den letzten paar Tagen.
Also schwupps, war ich fort und auf dem Weg zur U-Bahn fiel mir auch spontan ein, wohin: Weihnachtsmarkt! Endlich. Wollte ich doch schon länger. War ich in München so gut wie noch nie und das war die Gelegenheit. Und - mit zwei Stunden schafft man in der Innenstadt sogar zwei Weihnachtsmärkte, zwei in einander übergehende Fußgängerzonen und kommt ganz unverhofft an einem Spezialladen vorbei, den man für eine spezielle Geschenksorte benötigt. Klasse. Ich hätte sonst nie gewusst, wo ich diese kleinen Dinger herbekomme und schon gar nicht wär ich freiwillig extra irgendwo hin gefahren!
Hmm, Weihnachtsmärkte ... Ich bin dann wohl doch eine großstadtverwöhnte Berliner Göre. Wenn in einer kleinen Großstadt jeder Stadtteil seinen eigenen Weihnachtsmarkt hat ... ergibt sich zwangsläufig, dass diese Weihnachtsmärkte nicht sehr groß sind. Und dass das Angebot nicht sehr abwechslungsreich ist. Oder dass man alle Märkte der Stadt abklappern muss, um einen besonderen Stand zu finden. Sicher jedoch findet man überall wärmenden Glühwein und diverse herzhafte Schmankerln; schokierte Früchte und wunderbar süß duftendes Gebackenes; warme Socken, Handschuhe und Mützen für den Winter; dutzende Marien- und Engelsfigürchen für die festliche Krippe; Holzschnitzereien, Kerzen plus -halter in allen Variationen für die festliche Stimmung und Mineralienzeugs für?s Wohlbefinden - sowie die allseits bekannten Duftkegel, -öle und Räucherstäbchen. Alles Dinge, die man im Normalfall schon seit Jahren hat oder nicht wirklich braucht. Jedoch, nix besonderes. Nix außergewöhnliches. Nix, wo man mal sagen könnte, ha, das ist doch mal ne Idee. Es sei denn, man klappert alle Märkte der Stadt ab. Dann vielleicht.
DAS war in der kleinen Stadt am vergangenen Wochenende ganz anders. Irgendwie. Der einzige Markt der Stadt war viel größer als die zwei Stichproben heute und die Auswahl an Geschenken und Geschenkideen bedeutend mannigfaltiger. Selbst die Auswahl an Leckereien stand dem in nix nach. Komisch.
Nun, mal sehen, ob ich nicht noch so eine kleine Reise unternehme. Morgen. Oder Übermorgen. Oder jeden Abend einen weiteren Stadtteilweihnachtsmarkt. Irgendwo muss doch was besonderes zu finden sein. Nicht dass ich noch dringend irgendwas bräuchte, nein, aber ich hätte gern noch was. Irgendwas nettes. Zur Inspiration. Einfach so.
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel I
Nachdem ich also die zweite Fußgängerzone hinter mich gebracht hatte, gings an den Rückweg. Natürlich mit dem ÖPNV. Und ich sage euch, wenn einer eine Reise tut ... Seit heute Abend hat der Slogan "Die S-Bahn erhöht die Schlagzahl" eine ganz neue Note für mich bekommen.
Man stelle sich zum Feierabendverkehr einen unterirdischen Innenstadt-S-Bahnhof vor. Dieser hat zwei Gleise: Gleis 1 und Gleis 2. Und dazu drei Bahnsteige. Die zwei äußeren zum Aussteigen, der innere für beide Gleise gemeinsam zum Einsteigen. Es wimmelt nur so von Menschen. Und Fräulein Jea mittendrin hat zwölf Minuten Wartezeit, bis ihre einzig nach Hause führende S-Bahn kommt. In diesen zwölf Minuten bekommt das Wort Schlagzahl eine völlig neue Bedeutung. Denn die (S-Bahn-)Züge kommen und gehen Schlag auf Schlag. Auf beiden Gleisen abwechselnd.
Gleis 2 (links des Bindestrichs) - Gleis 1 (rechts des Bindestrichs)
1. Zug fährt ein - Ansage: Auf Gleis 1 nicht mehr zusteigen!
Bleibt stehen - voriger Zug fährt los
Türen öffnen - Und ist weg.
EinsteigenEinsteigenEinsteigen - ... Durchatmen
Türen gehen zu - 2. Zug fährt ein
Ansage: Auf Gleis 2 nicht mehr zusteigen! - Bleibt stehen
Zug fährt los - Türen öffnen
Und ist weg. - EinsteigenEinsteigenEinsteigen
... Durchatmen - Türen gehen zu
Hupen Ansage: Auf Gleis 1 nicht mehr zusteigen!
3.. Zug fährt ein - Zug fährt los
Bleibt stehen - Und ist weg.
Türen öffnen - ... Durchatmen
EinsteigenEinsteigenEinsteigen - Hupen
Türen gehen zu - 4. Zug fährt ein
Ansage: Auf Gleis 2 nicht mehr zusteigen! - Bleibt stehen
Zug fährt los - Türen öffnen
Und ist weg. - EinsteigenEinsteigenEinsteigen
... Durchatmen - Türen gehen zu
Hupen Ansage: Auf Gleis 1 nicht mehr zusteigen!
5. Zug fährt ein - Zug fährt los
Bleibt stehen - Und ist weg.
Türen öffnen - ... Durchatmen
EinsteigenEinsteigenEinsteigen - Hupen
Türen gehen zu - 6. Zug fährt ein
Ansage: Auf Gleis 2 nicht mehr zusteigen! - Bleibt stehen
Zug fährt los - Türen öffnen
Und ist weg. - EinsteigenEinsteigenEinsteigen
... Durchatmen - Türen gehen zu
Ansage: Auf Gleis 1 nicht mehr zusteigen!
Zug fährt los
Und ist weg.
... Durchatmen
Ich spürte, wie sich Puls und Atmung beschleunigten. Bekam fast Herzrasen. Und fragte mich, wie man das auf Dauer, vielleicht täglich, ertragen kann, ohne einen Herzkasper zu bekommen? Ich wurde schier irre. Laut Fahrplan liegt die Zugfolge bei zwei Minuten. Pro Richtung! Gut, dass ich meinen Stand- und Wartepunkt an einer Säule gefunden hatte, an der ich mich anlehnen konnte und die mir gleichzeitig den Rücken frei hielt. So brauchte ich mich wenigstens nicht um eventuelle Rucksackinhaltsdiebe sorgen. Nach den zwölf Minuten war meine Bahn auf meinem Gleis die sechste oder siebte. Und ich fand einen Sitzplatz ...
Kapitel III
Kapitel II
Ich fand meinen Sitzplatz gegenüber einem sehr voluminösen, jugendlichen jungen Mann mit Bayern München Basekap, dessen weißes Outfit durch deutliche Farbreste verschiedenster Art darauf hindeutete, dass er wohl sei Dasein als Malerlehrling fristet. Vertieft in ein ebenso voluminöses Comicbuch - wohl Micky Mouse - bedröhnte er sich per Lautsprecherstöpsel mit Musik in einer Lautstärke, dass ich in Erwägung zog, ihn um die Reduktion dieser zu bitten. Ich verzichtete dann aber doch darauf und zückte mein heiß geliebtes populärwissenschaftliches Magazin.
Ich versuchte zu lesen. Doch weit kam ich nicht. Aus den Ohrstöpseln mir gegenüber, denen des voluminösen Malerlehrlings mit Bayern München Basekap und Micky-Mouse-Buch, drangen Klänge an mein Ohr - dass sich selbigem nicht traute: Griechischer Wein von Udo Jürgens!
Nein, ich glaubte das nicht! Erst vermutete ich eine wie auch immer geartete Coverversion von irgendeiner Deutschrockband oder ähnliches, doch dann wurde immer deutlicher: es war das Original! In mir machte sich ein fast unverschämtes Grinsen breit, welches in Form eines deutlichen Schmunzelns nach außen drang. Mein Gegenüber bemerkte zum Glück nichts davon. Und der ältere Herr, der mittlerweile neben ihm Platz genommen hatte, dachte es käme von meiner Lektüre, welche ich auch intensiv als Alibi einsetzte. Aber innerlich lachte jede Faser. Spätestens, als sich der folgende Titel als Santa Maria von Roland Kaiser entpuppte. - Ein junger Mann, gerade im Lehrlingsalter, sitzt da, liest nen dicken Wälzer Micky Mouse (okay, ich weiß nicht, in welchem Alter man sowas liest, hab ich nie getan, aber:) und hört Udo Jürgens und Roland Kaiser in einer Lautstärke, dass sie die S-Bahn-Mitfahrer fast stört ... Und nein, er erweckte keinen weiteren Anschein irgendeiner Behinderung.
Kurz nach Santa Maria stieg der junge Mann aus.
Hach, endlich lesen.
Denkste! Hinter mir vernahm ich ein lautstarkes "Hello?? .. Hello?? ... Hello?? ... Darling, I've forgotten the charger for the cellphone ..." Und es folgte ein weiterhin lautstarkes Telephonat, in dessen Verlauf er seiner Familie - Toby, der Sohn wurde mit hineingezogen, weil Mummy nicht konnte - erklärte, dass er nicht ohne abfliegen könne, dass es ein genau solches kaum zum nachkaufen gäbe und wo sich das Ding befindet, damit man es ihm unbedingt noch zum Airport (welcher sich an der Endstation dieser S-Bahn befindet) bringe und er dem Toby auch einen Letter schreibe, da dieser wohl dafür eine - vermutlich schulische - Veranstaltung verpassen würde. Während dessen klingelten zwei weitere Mobiles, jedoch ohne dass sich daraus nennenswerte Telefonate ergaben. Ist halt die Flughafen-S-Bahn. Immer voll von lauter wichtigen Leuten.
Bald darauf erreichte der Zug meinen sehnlichst erwarteten Heimatbahnhof. Ich stieg aus und stapfte zum Auto. Stieg ein, schloss die Tür hinter mir, und hatte RUHE. Endlich Ruhe. Noch zwei Kilometerchen bis nach Hause. Post geholt, Badewasser an, Compi an, Katzen gefüttert, Schreibzeug, Hasenbrote und schnurloses Telefon zusammengesammelt und ganz schnell ab mit dem durchgefrorenen Hintern ins wohlig-warme Erkältungsbad. Ätherisch. Prophylaktisch. Gut.
Gut, wieder zu Hause zu sein!
dass dir der Stress nicht ausgeht!
Schön, dass du die zwei Bücher jetzt einmal durch hast und weißt, was du ggf. nachschlagen kannst, und somit nur noch das NatGeoAbo drängelt. Aber das heißt noch lange nicht, dass es keinen Input mehr gäbe. Schließlich ist dir gerade heute früh erst eingefallen, dass du dich ja dann - nach dem aktuellen, seit drei Wochen wartenden Dezember NatGeo Heft - endlich an die vielen gesammelten Sachbücher machen könntest, die du vor etlichen Monaten zusammengesteigert hast. Außerdem hast du dir selber zum Nikolausi zwei NatGeo Sonderhefte - so ganz außer der Reihe - gekauft. Die Collectors Edition 100 Best Vintage Photographs sowie die US-Ausgabe eines Heftes, das du schon in Deutsch hast. Um dich mal ein bisschen um dein Englisch zu kümmern!
Du, Schneckchen, die Zeitungsläden sind voll!
Und damit dir der Stress wirklich nicht ausgeht, damit du jaah immer weißt, dass du noch was zum Lesen vor dir hast, solltest du noch mehr für das Überleben des kleinen Zeitungsladens tun. Kauf dir doch heute in der Mittagspause noch das GEO Epoche Maya, Inka, Azteken - denn das sind schließlich deine absoluten Lieblinge unter den ancients - und lass es dir inner Tüte vom Spektrum der Wissenschaft geben. Weil dich dieses Magazin ja auch gar nicht immer wieder lockt ...
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Ist das Sucht?
Ist das geistige Unterforderung?
Ist das der absolute Jäger-und-Sammler-Trieb?
Hallo??? Tickst du noch ganz richtig?
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Achso, und vergiss nicht: Das Päckchen NatGeo-Hefte aus den früheren Jahrgängen mit den Maya- und Inka-Berichten, das du dir zu Beginn deines Abos bestellt hast, steht auch noch wartend im Regal.
Im Grunde genommen ist die (Fuß-)Reflexzonenmassage eine wundervolle Sache. Denn durch die gezielte Massage ganz bestimmter Stellen mit speziellen Techniken werden an den Händen und/oder Füßen Bereiche stimuliert, worauf wiederum zugeordnetehörige Bereiche im gesamten Körper/Organismus stimuliert werden. Das ist etwas Wunderbares. Unglaublich Entspannendes.
Was mich bisher davon abschreckte war ein Erlebnis vor einigen Jahren. Ich war auf einer Kur, wo diese Therapieform auch angeboten wurde. Zwei Mitpatientinnen (gestandene Frauen um die 40) nahmen dies freudig in Anspruch. Hinterher allerdings kehrten sie weinend zurück, geschockt von den Dingen, die ihnen über ihr Inneres mitgeteilt wurden. Denn die professionellen Reflexzonentherapeuten sagten ihnen anhand ihrer Füße sehr direkt ins Gesicht, mit welchen Bereichen und auch Organen bei ihnen etwas nicht in Ordnung war. Deshalb wollte ich das bisher nicht.
Doch letztens hab ich es doch gewagt. Eine Bekannte ist Heilpraktikerin und ich vertraue ihr hin und wieder meinen Rücken an. Doch auch zu ihr ist das Verhältnis - von meiner Seite aus - etwas zwiespältig. Denn durch ihre Art, den Menschen zu sehen und zu verstehen, sieht sie Dinge - aus Körperhaltung etc. - die man normalerweise lieber für sich behält. Die man eigentlich vor der Umwelt zu verbergen sucht. Die man vielleicht sogar nicht mal selbst weiß oder auch nicht wissen will. Und sie schmettert mir diese Dinge - z. T. ebenso direkt wie oben erwähnt - ins Gesicht. Ich verstehe daher nur zu gut, dass ich sie trotz dessen, was sie mir Gutes tut, auf Distanz halten möchte. Sie liest in meiner Körpersprache schon wie ein Zeitungsmitleser in der S-Bahn, da muss ich ihr nicht noch mehr erzählen. Denn sie ist nicht meine frei gewählte Therapeutin, sondern nur eine Bekannte. Und außerdem oder deshalb trau ihr nicht so ganz. Ich fürchte insgeheim, dass sie ihr Wissen und ihr Können im weitesten Sinne auch zur Manipulation nutzt.
Nichtsdestotrotz - ich habe seit längerem Probleme mit einem Fuß und im Gespräch bat ich sie, doch mal danach "zu schauen". Nach dieser Stelle, die mir Probleme bereitet. Hoch erfreut über diese Anwandlung von Vertrauen meinerseits spendierte sie mir eine komplette Reflexzonenmassage - komplett mit allem, was dazu gehört. So auch den ganzen Informationen, die ich nicht haben wollte. Und mit den Sorgen, die ich mir seit dem mache.
Sind Augenringe eigentlich ansteckend?
Aber: Schee war's! (Das war's wert ;o))
Wer malt kilometerlange, schnurgerade Linien warum in die Wüste??? Auch aus Satellitensicht erschließt sich mir aber auch sowas von kein Lösungsansatz ... kopfschüttel. Immer wieder.
[edit: Schade, die "_lrg.jpg" Version ist irgendwie verloren gegangen.]

